War Elagabal eine Transfrau?
War der römische Kaiser Elagabal wirklich schwul, eine Transfrau und Prostituierte – und somit laut Cassius Dio der „Inbegriff der Perversion“?
Elagabal als Inbegriff der Perversion – wie alles begann
„Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust …“ Ich denke, das war das Hauptproblem. Großmutter machte meinen 14-jährigen Bruder zum Hohepriester des Elagabal. Mein Bruder lernte, unseren Gott zu ehren, im Tempel für zu tanzen und ihm Tiere zu opfern. Elagabal schenkte ihm den Sieg über Macrinus. Nun plötzlich sollte mein Bruder aber seinen Job als Hohepriester an den Nagel hängen und stattdessen einfach ein römischer Kaiser sein, Toga tragen, möglichst würdevoll dreinblicken und Großmutter regieren lassen.
In der Schlacht hatte mein Bruder allerdings ein religiöses Erweckungserlebnis. Elagabal hat uns den Sieg geschenkt, damit sein Glaube auch in Rom verbreitet werde.
Also beschloss mein Bruder, beides zu sein: Kaiser und Hohepriester.
Ein Kaiser in Frauenkleidern?
Mein Bruder weigerte sich, die bei der Herstellung mit Tier-Urin behandelte Toga anzuziehen. Stattdessen kleidete er sich weiterhin in seine farbenfrohen Priestergewänder und tanzte auch in Rom zu Ehren seines Gottes – erst in einem bereits bestehenden und umgeweihten Tempel, dann im eigens erbauten Elagabalium. Dem römischen Volk gefielen die Darbietungen – die Senatoren waren allerdings entsetzt. „Der Kaiser trägt Frauenkleider, schminkt sich und tanzt! Sicherlich möchte er eine Frau sein!“
Männlichkeit und Manneskraft war den Römern enorm wichtig. Dabei war es eher nebensächlich, ob ein Mann Frauen oder doch Männer liebte oder gar pädophil war – hauptsache, der Mann war der dominante Part. Natürlich hatte ein römischer Kaiser der männlichste unter den Männern zu sein. Ein Kaiser in Frauenkleidern war deswegen skandalös.
Ein römischer Kaiser als Trans-Frau und Prostituierte?
Ein Kaiser, der freiwillig Frauenkleider trug, sich schminkte und dazu tanzte – dem war alles zuzutrauen!
Sicherlich war er schwul und weibisch! Sicher liebte er Männer, die gut bestückt waren! Und das Ganze ging bestimmt so weit, dass er mit Prostituierten sprach, dass er sich selbst prostituierte und dass er ganz und gar eine Frau sein wollte und seine Ärzte fragte, ob sie ihm eine Vagina machen könnten!
Doch entspricht dies der Wahrheit? Oder entsprangen diese Gerüchte lediglich der Tatsache, dass er merkwürdige Zeremonien in fremdartigen Gewändern durchführte? (Und dass er versuchte, Elagabal zum Hauptgott des römischen Reichs zu machen?)
Und wie stand es nun wirklich um Elagabal?
Würdet ihr mir glauben, wenn ich euch sage, dass mein Bruder nicht schwul war? Würdet ihr gern darüber lesen, dass er einfach nur ein religiöser Fanatiker war, der mit allen Mitteln versuchte, seinen Gott zum Hauptgott des römischen Reiches zu machen? Dass sein Geliebter Hierocles in Wahrheit nur ein Freund war und der gut bestückte Zoticus eine Erfindung?
Seid ehrlich!
Nun, zu eurem Glück hat sich vieles von dem, was über meinen Bruder erzählt wird, tatsächlich zugetragen – wenn auch nicht immer genau so, wie Cassius Dio es beschrieben hat.
(Außerdem bin ich alt und brauche das Geld.)
((Vielleicht schreibe ich irgendwann tatsächlich einmal auf, was sich wirklich wirklich zugetragen hat … Aber nicht heute. Ich halte euch auf dem Laufenden.))
Damnatio memoriae
Schuld am schlechten Ruf meines Bruders hat der Geschichtsschreiber Cassius Dio. Um meinem Cousin, dem Kaiser Alexander Severus zu gefallen, ließ Dio kein gutes Haar an meinem Bruder. Mein Cousin rief außerdem die damnatio memoriae aus. Das heißt, der Name meines Bruders wurde aus allen Annalen getilgt, Bildnisse und Inschriften wurden zerstört, und um dem neuen Kaiser zu gefallen, vermieden die Römer es, den Namen meines Bruders (und meinen!) zu erwähnen. So blieb nur das Werk des Schmierfinken Cassius Dio erhalten, das von anderen kopiert, ausgeschmückt und weiter verbreitet wurde.
Weiterlesen: Die Machtergreifung von Elagabal
Über mich
Mein Name ist Julia Aurelia Bassiana, aber ihr könnt mich Aura nennen. Sicherlich habt ihr noch nie von mir gehört, aber vielleicht von meinem Bruder, der als Kaiser Elagabal in die Geschichte einging und als der verkommenste römische Kaiser gilt. Ich habe beschlossen, mit einigen Gerüchten um meinen Bruder aufzuräumen und euch zu schildern, wie es wirklich war.